Rechtsgleichheit «à la carte»?
Veröffentlicht am 24.09.2020 von Michael Schmid, Gemeinderat Kreis 1+2, Fraktionspräsident FDP
Es ist eine der grossen Widersprüchlichkeiten rotgrüner Politik in der Stadt Zürich, dass ausgerechnet jene, die sich angeblich stets für Gleichstellung einsetzen, in zentralen Fragen von Rechtsstaatlichkeit und Rechtsgleichheit einzelnen Gruppen Privilegien zugestehen wollen, die für den Rest der Bevölkerung nicht gelten.
Aktuelles Beispiel: Die gemeinderätliche «Aufarbeitung» der Beendigung der Besetzung des Juch-Areals. Dieses Grundstück, welches der Stadt Zürich gehört, war im vergangenen Herbst von einer kleinen, aber offensichtlich sehr gut mit den Fraktionen von SP, Grünen und AL vernetzten Cliqué besetzt worden. Um eine Räumung zu verhindern, wurde weder vor fadenscheinigen Argumenten noch Aufrufen zu Telefonterror gegen Mitglieder des Stadtrats zurückgeschreckt. Nachdem der Stadtrat im April vor solchen Machenschaften noch kapitulierte, liess er sich einen Monat später jedoch nicht mehr einschüchtern. Das Grundstück wurde von der Stadtpolizei in einer tadellosen Aktion geräumt und der neuen Mieterschaft übergeben, welche es benötigt, um den Bau des neuen Hockeystadions termingerecht vollenden zu können.
Nun könnte man denken, SP, Grünen und AL seien diese Vorgänge eher peinlich und sie würden darum im Gemeinderat lieber nicht viel Aufhebens machen wollen. Doch weit gefehlt. Noch Ende Mai reichten die drei Fraktionen im Gemeinderat eine Interpellation ein, die sie in der Folge dringlich erklären liessen. Der Stadtrat wurde mit zehn Fragen eingedeckt, mit denen eine «Rechtfertigung» verlangt wurde, warum auf einem Grundstück der Stadt Zürich – also letztlich von den Steuerzahlenden finanziert – ein illegaler Zustand beendet und ein rechtmässiger Zustand hergestellt wurde.
Die FDP hat für einen dermassen selektiven Umgang mit Rechtsstaats- und Rechtsgleichheitsprinzip keinerlei Verständnis. Dass zudem ausgerechnet Parteien, die unsere Stadt mit immer neuen Geboten und Verboten «beglücken» (ist Ihnen beispielsweise aufgefallen, wie viele neue Strassenschilder in den letzten Monaten aus dem Boden geschossen sind?), für einzelne Gruppierungen aber jegliche Regeln ausser Kraft setzen wollen, ist weder akzeptabel noch nachvollziehbar. Rechtsgleichheit ist nicht «à la carte» zu haben. Die FDP setzt sich ein, dass auch bei städtischen Vorschriften gilt: «So viel wie nötig, so wenig wie möglich». Und wir setzen uns dafür ein, dass die Vorschriften dann auch für alle gelten und nicht für ein bestimmtes Klientel der aktuellen Gemeinderatsmehrheit fallweise zurechtgebogen oder ausser Kraft gesetzt werden.
Dieser Text ist auch im Lokalinfo Zürich 2 vom 24.09.20 erschienen. Hier finden Sie diesen Artikel (Seite 3).