Ungleichbehandlung von Volksbegehren, je nachdem ob sie von links oder von rechts eingereicht werden
Veröffentlicht am 28.11.2024 von Hans Dellenbach, Gemeinderat & Mitglied Initativkomitee "Mehr Wohnraum durch Aufstockung"
Im Juli 2024 reichte ein überparteiliches Komitee, bestehend aus Vertretern von FDP, SVP, GLP und Die Mitte, die Volksinitiative «Mehr Wohnraum durch Aufstockung – quartierverträglich und nachhaltig» [link: https://www.endlich-wohnungen.ch] ein. Kurz darauf bestätigte der Stadtrat das Zustandekommen der Initiative. Diese verlangt, dass Gebäude-Aufstockungen in der Stadt Zürich gefördert werden sollen, indem Bauherren ein zusätzliches Stockwerk bauen dürfen, was bei einem Abriss und Neubau nicht der Fall wäre. Das spart Energie und schützt Grünräume und hilft ausserdem, bestehende Quartierstrukturen zu erhalten.
Heute nun hat der Stadtrat bekannt gegeben, dass er beim Gemeinderat die Ungültigerklärung beantragt. [link: https://www.stadt-zuerich.ch/hbd/de/index/ueber_das_departement/medien/medienmitteilungen/2024/11/volksinitiative-mehr-wohnraum-durch-aufstockung-quartier-vertraeglich-und-nachhaltig-stadtrat-beantragt-ungueltigerklaerung.html]. Die Volksinitiative verstosse gegen übergeordnetes Recht, sagt der Stadtrat, und sie sei deshalb nicht umsetzbar.
Ich will diese Einschätzung durch den Stadtrat hier nicht rechtlich beurteilen – das werden wir aber in den nächsten Wochen bestimmt noch tun. Aber der Entscheid ist auch hoch-politisch.
Es ist noch nicht lange her, da haben Exponenten der AL eine Volksinitiative eingereicht, um das SBB-Areal Neugasse zu erwerben und damit einen Vertrag zwischen SBB und Stadt zu untergraben. Damals war der Stadtrat der Meinung, die Volksinitiative sei zwar nicht umsetzbar, weil die SBB klar und deutlich gesagt hätten, dass sie nicht verkaufen wollten. Aber man sei «im Zweifel für die Volksrechte». Daher erklärte er die Initiative für gültig und liess darüber abstimmen. Die Initiative wurde dann sogar angenommen, aber umsetzen konnte man sie nicht. Linke Politiker haben mir mehrfach erklärt, es sei trotzdem wichtig gewesen, darüber abzustimmen, «um ein Zeichen zu setzen».
Etwas später hat die SP die Volksinitiative «Bezahlbare Wohnungen für Zürich» eingereicht. Bei dieser Initiative kam der Stadtrat zum Schluss, dass sie gegen übergeordnetes Recht verstosse. Aber grosszügigerweise hat der Stadtrat das Anliegen sehr dienstfertig so umformuliert, dass es umsetzbar wurde. Das nannte man dann einen Gegenvorschlag, welcher am letzten Wochenende zur Abstimmung kam und durch die Stimmbevölkerung angenommen wurde.
Bei unserer Initiative «Mehr Wohnraum durch Aufstockung» legt der Stadtrat aber einen anderen Massstab an. Er sagt zwar: «Wir teilen das Anliegen der Initiative, mehr Wohnraum zu schaffen». Aber die Stimmbevölkerung soll dazu trotzdem nicht befragt werden.
Dass Hunderte von engagierten Personen während Monaten über 4’000 Unterschriften sammelten - das ist für den Stadtrat kein Grund, dass man über dieses Thema auch eine öffentliche Debatte führt. Es scheint, dass das Anliegen einfach aus der falschen politischen Ecke kommt. Während SP- und AL-Initiativen grosszügig gefördert wreden, erstickt der SP-dominierte Stadtrat die Debatte hier schon im Keim.
Mein Vorwurf lautet: Linke und rechte Volksanliegen werden nicht gleich behandelt, sondern je nach politischer Präferenz!
Man sollte den Stadtrat wieder einmal daran erinnern, dass die Volksrechte - insbesondere die Volksinitiative - ursprünglich erfunden wurden, um der Opposition ein Werkzeug gegen die regierende Mehrheit in die Hand zu geben. Und nicht dafür, dass die regierende Mehrheit die Minderheit gängeln kann. Und man sollte den Stadtrat auch daran erinnern, dass sie als Regierung für alle Zürcherinnen und Zürcher gewählt wurde. Und nicht nur für Gleichgesinnte.