Stadtrat Andreas Hauri (GLP) ist kein Liberaler
Veröffentlicht am 10.11.2022 von Severin Pflüger, Gemeinderat FDP Kreis 11

«Neuerlass der Verordnung über städtische Einrichtungen für ältere unterstützungsbedürftige oder pflegebedürftige Personen (VsEP)» klingt alles andere als prickelnd und entsprechend hat auch keine Tageszeitung über dieses politische Geschäft berichtet. Unterschätzen darf man dieses Geschäft jedoch nicht. Es verrät nämlich viel über die wahre politische Ausrichtung von Stadtrat Andreas Hauri.
Andreas Hauri lässt ja keine Gelegenheit aus, um zu betonen, wie liberal er sei. Doch behaupten kann das jeder. Ob man es wirklich ist, zeigt sind am konkreten Handeln. Der «Neuerlass der Verordnung über städtische Einrichtungen für ältere unterstützungsbedürftige oder pflegebedürftige Personen (VsEP)» ist da ein gutes Studienobjekt.
Andreas Hauri durchleuchtet und vereinfacht die Strukturen seiner Einrichtungen, wie Spitälern und Pflegeinstitutionen. Das ist sehr löblich. So hat er das Stadtspital Waid und das Stadtspital Triemli zusammengeführt, so dass Doppelspurigkeit vermieden und Stärken gebündelt werden können. Desgleichen hat er auf die sich verändernden Bedürfnisse alter Menschen reagiert und die Altersheime und die Pflegeheime zu den Gesundheitszentren für das Alter zusammengeführt.
Für die letzteren braucht es natürlich eine neue gesetzliche Grundlage, die deren Aufgabe definiert, ihren Betrieb regelt, Verantwortlichkeiten klärt sowie die Rechte und Pflichten der Personen, die sich dort betreuen lassen, festlegt. Und so kam es zum besagten Neuerlass und unserem Studienobjekt, welches von Andreas Hauri ausgearbeitet, vom Stadtrat dem Gemeinderat überwiesen, von der gemeinderätlichen Spezialkommission GUD beraten und schliesslich am 26. Oktober 2022 vom Gemeinderat debattiert und verabschiedet wurde.
Es sind zwar kleine Dinge, aber am Ende eben doch entscheidende Dinge, die im Entwurf von Andreas Hauri zeigen, dass es mit seinem Liberalismus nicht weither ist.
In Art. 2 des Entwurfs werden die Aufgaben der Gesundheitszentren definiert - im Grunde trivial. So heisst es dort ganz einfach, dass sie die Betreuung in Tagesstrukturen übernehmen und dass sie «Beratung und Abklärungen in spezifischen Bereichen» übernehmen. Trotz des Worts «spezifisch» ist diese Bestimmung erschreckend unspezifisch. Es ist gänzlich unklar, worin diese Beratung besteht und was genau abgeklärt wird. Sollen die älteren Menschen in allen Belangen, die sie betreffen, beraten und abgeklärt werden? Also zum Beispiel auch Rechtsberatung beim Erstellen von Testamenten?
Aus liberaler Sicht, ist es wichtig, dass eine staatliche Institution, einen möglichst eng und genau definierten Aufgabenbereich erhält. Der Staat soll nur dort aktiv sein, wo es ihn braucht und auch dort nur in dem Umfang, wie es notwendig ist. Dabei geht es darum, dass mit Steuermitteln verantwortungsvoll umgegangen wird und Private nicht unnötig konkurrenziert werden. Es geht aber auch darum, dass sich der Staat nicht verzettelt, aber seine Aufgabe uneingeschränkt und mit hoher Qualität erfüllt.
Diese Formulierung konnte die FDP, die die Aufgaben der Gesundheitszentren so offen und nichtssagend definierte, nicht stehen lassen. Es wurde daher abgeklärt, worin den heute diese Beratung und Abklärung besteht. Es stellte sich heraus, dass heute medizinische und geriatrische Beratungen und Abklärungen getroffen werden und sich diese so klar abgrenzen lassen. Entsprechend hat die FDP einen Antrag gestellt, der festhielt «Medizinische und geriatriache Beratung und Abklärungen» und der vom Gemeinderat auch angenommen wurde.
Weiter hiess es in Art. 3 des Entwurfs, «Sie [die Gesundheitszentren] sorgen für Sicherheit, Gemeinschaft und soziale Kontakte.» Das ist natürlich eine ganz unglückliche Formulierung. Für die Sicherheit sorgt die Polizei. Wenn die Gesundheitszentren für Sicherheit sorgen müssten, dann würde es sie sicher überfordern und mit einer neuen gesetzlichen Grundlage Tür und Tor geöffnet, um sich Aufgaben anzumassen und Eingriffe in die Privatsphäre der betreuten Personen zu rechtfertigen. Überspitzt formuliert, braucht es keine grossangelegte Videoüberwachung und auch keine Altersheimgendarmerie. Auf Nachfragen hin, wollte Andreas Hauri auch gar nicht, dass die Gesundheitszentren für die Sicherheit sorgen, sondern vielmehr sicherstellen, dass die betreuten Personen in dem Sinne sicher fühlen, als dass sie wissen, dass für sie gesorgt wird, bei einem gesundheitlichen Notfall ihnen jemand zur Seite springt und sie ein vertrautes Umfeld haben. Es geht also nicht um Sicherheit im Sinne von Recht und Ordnung, sondern um das subjektive Empfinden der betreuten Personen. Doch dann sollte man es auch so formulieren. Aus der Diskussion heraus hat Andreas Hauri denn auch eine bessere Formulierung gefunden: «Sie [die Gesundheitszentren] sorgen für Gemeinschaft und soziale Kontakte und vermitteln Sicherheit.» Eine gute Lösung. Trotzdem: ein wirklich Liberaler hätte nie eine solche Formulierung dem Parlament zur Beratung überwiesen.
In Art. 4 werden die weiteren Aufgaben der Gesundheitszentren beschrieben, wozu beispielsweise auch die sehr wichtige Ausbildung von Fachkräften gehört. Da steht aber auch: «Die städtischen Einrichtungen nehmen zudem folgende weitere Aufgaben wahr: […] Beteiligung an Forschungsprojekten.» Forschung ist zweifellos wichtig. Wer weiss das besser als die Forschungs- und Wissenschaftspartei FDP. Trotzdem muss man hier sehr aufpassen. Forschung am Menschen ist immer auch ein Eingriff in seine Persönlichkeit. Es liegt auf der Hand, dass die städtischen Gesundheitszentren für die Forschung attraktiv sind. Da gibt es eine grosse Anzahl von Probanden, die unter gleichen Umständen leben und auch sonst sehr ähnliche Voraussetzungen mitbringen. Trotzdem sind sie und bleiben sie einzelne Individuen, die auf Grund ihres gesundheitlichen Zustandes und ihres Alters in die Gesundheitszentren haben begeben müssen. Es ist also eine besonders verletzliche Bevölkerungsgruppe, die keines Falls nur als weisse Labormäuse betrachtet werden darf. Keinesfalls soll man Andreas Hauri hier vorwerfen, dass er selbst so denkt. Man muss ihm aber vorwerfen, dass er zu wenig bedacht hat, dass auch hier der Staat zu Gunsten des Individuums zurückgenommen werden muss. Die von ihm gewählte Formulierung verpflichtet nämlich die Gesundheitszentren zu etwelcher Forschung und schränkt diese inhaltlich nicht im Geringsten ein. Die FDP hat versucht eine solche Einschränkung zu formulieren: «[…] Mögliche Beteiligung an Forschungsprojekten in der Langzeitpflege.» Damit wäre die Forschung, in dem Umfang in dem sie schon heute betrieben wird, gesichert gewesen und die betreuten Personen so gut als möglich geschützt. Leider fand dieser Antrag keine Mehrheit im Rat und es blieb bei der Formulierung von Hauri.
Zugegeben, es sind keine grossen Versäumnisse, die wir hier Andreas Hauri vorhalten. Aber in den kleinen Dingen und nicht in den grossen Gesten zeigt sich eben der wahre Charakter einer Person. Nur zu sagen, man sei liberal, genügt nicht.