Etwas Statistik zu einem Jahr der Legislatur im Gemeinderat
Veröffentlicht am 10.05.2023 von Martina Zürcher-Böni, Gemeinderätin Kreis 10
Am 4. Mai 2022 trat der im Februar 2022 neu gewählte Gemeinderat zum ersten Mal zusammen. Zwischenzeitlich ist ein Jahr vergangen und, der Gemeinderat hatte 46 Sitzungen im Ratsplenum, die häufig mittwochs von 17 Uhr bis nach 22 Uhr dauerten, insgesamt 162 Stunden Sitzungszeit (zusätzlich zu den insgesamt 565 Stunden Kommissionssitzungen). Was machen die 125 Gemeinderatsmitglieder dort?
Neben den sogenannten Weisungen des Stadtrats, die der Gemeinderat berät, können die 125 Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Gemeinderat persönliche Vorstösse einreichen. Einige schreiben sehr fleissig Vorstösse, anderer weniger oder auserwähltere Vorstösse, andere gar keine.
Neben den 140 Weisungen, die der Stadtrat im vergangenen Jahr verabschiedet hat, wurden im Gemeinderat unter anderem 290 Postulate, 165 Schriftliche Anfragen, 38 Motionen und 29 Interpellationen eingereicht. Da die Schriftlichen Anfragen im Rat nicht traktandiert werden, habe ich sie bei den folgenden Auswertungen zu den persönlichen Vorstössen nicht mitgezählt. Schriftliche Anfragen sind übrigens Fragen, die man schriftlich dem Stadtrat stellen kann und die dann, öffentlich publiziert, schriftlich beantwortet werden.
Nachfolgend sind die Gemeinderäte aufgeführt, die anzahlmässig am meisten persönliche Vorstösse eingereicht haben. Das Einreichen eines Vorstosses an sich bringt notabene häufig nicht so viel, denn nur wenn ihm eine Mehrheit des Rats zustimmt und ihn sogenannt überweist, dann geht der Vorstoss zum Stadtrat zur Prüfung oder zur Umsetzung.
Persönliche Vorstösse
Gemeinderatsmitglied
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Anzahl eingereichte persönliche Vorstösse im Amtsjahr 2022/23 (ohne Schriftliche Anfragen)
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Samuel Balsiger (SVP)
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74
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Stephan Iten (SVP)
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26
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Anna-Béatrice Schmaltz (Grüne)
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20
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Balz Bürgisser (Grüne)
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18
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Johann Widmer (SVP)
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18
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Walter Anken (SVP)
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18
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Anna Graff (SP)
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17
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Reto Brüesch (SVP)
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17
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Martin Götzl (SVP)
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16
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Die Hitliste der persönlichen Vorstösse lässt zwar etwas auf die Gesamtzahl pro Partei schliessen, aber nicht vollständig. Man stellt fest, dass die Polparteien auf beiden Seiten (AL, Grüne, SVP) am meisten Vorstösse einreichen, stark überproportional zu ihrem Sitzanteil im Parlament.
Vorstösse nach Fraktionen
Fraktion
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Unterzeichnete Vorstösse (ohne Schriftliche Anfragen)
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Anteil am Total
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Anteil Sitze Parlament
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SP
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114
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21%
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30%
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FDP
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56
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10%
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19%
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Grüne
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116
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21%
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15%
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GLP
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52
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10%
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12%
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SVP
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120
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22%
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11%
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Die Mitte/EVP
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23
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4%
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7%
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AL
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61
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11%
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6%
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Es können im Gemeinderat nicht nur persönliche Vorstösse eingereicht werden, sondern auch sogenannte Fraktionsvorstösse, welche im Namen einer ganzen Fraktion sind. Davon wurden im vergangenen Jahr 53 eingereicht. 34 davon wurden von den Grünen (mit-)eingereicht. Bei 20 davon waren mindestens auch SP und AL mitunterzeichnend, womit der Vorstoss bereits eine Mehrheit zur Überweisung hat.
Dann noch meine Top 10 der aus freisinniger Sicht unsinnigsten Vorstösse, die im letzten Jahr eingereicht worden sind:
- Abschaltung und Weitergabe oder Entsorgung der Leuchtdrehsäulen und digitalen Werbeflächen (SP, Grüne, AL)
- Einsetzung einer externen Fachperson als «Energie-General» mit Weisungsbefugnis über alle Departemente und Dienstabteilungen (SVP)
- Verzicht auf Bussen bei Verstössen gegen die Allgemeine Polizeiverordnung (APV) und die Verordnung über die Benutzung des öffentlichen Grundes (Benutzungsordnung) im Zusammenhang mit politischen Sonderzwecken (AL, Grüne)
- Entfernung des Selecta-Automats am Römerhof (AL, GLP)
- Pilotversuch für eine Viertagewoche bei maximal 35 Stunden Arbeit pro Woche mit einem gestaffelten, lohnabhängigen Lohnausgleich (SP, AL)
- Erstellung und Bewirtschaftung eines Verzeichnisses der privaten Autoabstellplätze (AL)
- Berücksichtigung des Prinzips Gender Mainstreaming bei allen stadtplanerischen Projekten (SP, Grüne)
- Festlegung der autoarmen und autofreien Wohnformen als Standard, Änderung der Parkplatzverordnung (AL)
- Entsiegelung des Sechseläutenplatzes (SVP)
- Die gleichzeitige Einreichung von diesen beiden Vorstössen der SVP, obwohl der Steuerfuss sowieso vom Gemeinderat festgesetzt wird: «Festsetzung der ordentlichen Gemeindesteuern auf 112 Prozent für das Budget 2024» und «Festsetzung der ordentlichen Gemeindesteuern auf 117 Prozent für das Budget 2024»
Mein persönliches Fazit des letzten Jahrs im Gemeinderat:
- Die Polparteien (SVP, Grüne, AL) reichen am meisten Vorstösse ein.
- SP, Grüne, AL sind häufig in Kombination, nicht nur bei den Fraktionsvorstössen, sondern auch bei den persönlichen Vorstössen. Da diese drei Parteien eine absolute Mehrheit haben, werden diese Vorstösse dann auch überwiesen.
- Viele der überwiesenen Vorstösse, besonders von der linken Seite, bewirken Mehrausgaben (z.B. neue Zusatzaufgaben für die Stadtverwaltung, neue Stellen, neue Subventionstöpfe, etc.)
- Es ist nicht förderlich für ein Parlament, wenn drei Parteien mit sehr grossen Überschneidungen im Parteiprogramm (SP, Grüne und AL) eine absolute Mehrheit der Sitze haben – und zwar weder für die Debatten im Rat, respektive für die Findung von guten Lösungen, noch für die Weiterentwicklung unserer Stadt.
Quelle