Ein Ablenkungsmanöver mit Kaufzwang
Veröffentlicht am 17.07.2024 von Patrik R. Brunner, Vizepräsident FDP Stadt Zürich, Gemeinderat FDP Kreis 6
Werbung sei klimaschädlich, manipulierend und störend. Deshalb soll sie nur noch für Aushänge und Beschriftungen vor Ort, für das Bewerben lokaler, unkommerzieller Angebote, zur politischen Meinungsfindung sowie für Informationen der öffentlichen Hand erlaubt sein. Das fordert die Alternative Liste (AL) mit ihrer Motion. Berufsbedingt beschäftigt mich das Thema, und ich sage: Werbung ist meinungsbildend. Nicht, weil sie manipuliert, sondern weil sie einlädt, eigenverantwortlich zu handeln. Werbung fördert einen gesunden Wettbewerb. Nicht, weil sie mit unfairen Mitteln kämpft, sondern auch KMUs offen steht, sich zu präsentieren. Werbung macht den Markt transparent. Nicht, weil Displays und Plakate in schrillen Farben leuchten, sondern weil sie Angebote sichtbar macht, zwischen denen man entscheiden kann.
(aus)geben und nehmen
Marktwirtschaftlich betrachtet, müssen sich Angebote von Läden und Dienstleistern mit der Nachfrage der Konsumenten treffen. Werbung ist das Bindeglied, damit man nicht jeden Betrieb abklappern muss, um herauszufinden, ob es überhaupt ein Angebot gibt. Ein Werbeverbot verunmöglicht diesen Informationsfluss. Allein im Grossraum Zürich sind rund 6000 Menschen als Fachleute in den Bereichen Marketing, Sprachdienstleistungen, Fotografie, Grafik, Druck, Kultur oder als Lehrpersonen an berufsbildenden Institutionen tätig. Ein Werbeverbot gefährdet diese Jobs. Zudem wird die Reduktion physischer Reklameflächen die digitale Abwanderung fördern, und Investitionen in Plattformen wie Facebook, Instagram, TikTok oder Google führen dazu, dass Daten, Jobs und Werbegelder unkontrolliert ins Ausland fliessen. Die Stadt Zürich verdient mit Konzessionseinnahmen für Werbung im öffentlichen Raum 12,5 Millionen Franken pro Jahr, und den Verkehrsbetrieben Zürich bringt die Vermietung von Werbeplätzen jährlich 13 Millionen Franken ein. Geld, das von rot-grün gefärbten Ideen gerne mit vollen Händen sofort wieder ausgegeben wird.
Links liegen lassen
Ein Werbeverbot klingt harmlos, ist aber ein fundamentaler Angriff auf die Meinungs- und Informationsfreiheit, die in der Bundesverfassung von 1999, Artikel 16, Absatz 2 verankert ist: «Jede Person hat das Recht, ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten. Jede Person hat das Recht, Informationen frei zu empfangen, aus allgemein zugänglichen Quellen zu beschaffen und zu verbreiten.» Die Befürworter der Motion sprechen von Erziehungsbotschaften und Manipulationsversuchen, vor denen die Bevölkerung beschützt werden sollte. Doch Werbung zu verbieten und zu verhindern, dass sich jeder seine Meinung bilden darf, lässt totalitäre Züge erkennen. Deshalb bedeutet ein Ja aus meiner Sicht, sich mit Louis XIV, Stalin oder anderen ehemaligen Herrschern zu verbünden. Weil bei einem Werbeverbot die Machthaber bestimmen, welche Information an die Bevölkerung gelangen darf und welche nicht. Auch wenn einem eine Werbung gefällt, hat man die Freiheit, das Produkt links liegen zu lassen. Es besteht kein Kaufzwang. Während hingegen ein Werbeverbot der Bevölkerung aufzwingt, sich nicht mehr dafür zu interessieren.
Werbung ist informativ, kreativ und im besten Fall unterhaltsam. Nutzen Sie die Zeit bis zur Eröffnung der Debatte im Herbst. Macht Werbung im öffentlichen Raum Ihren Alltag nicht etwas bunter und schafft sie – wenn man sie zulässt – nicht auch Platz für echte Alternativen?
Der Beitrag wurde auch im Tagblatt vom 24.07.2024 in der Rubrik Forum der Parteien veröffentlicht. HIER FINDEN SIE DEN TEXT AUF SEITE 43.