AOZ 2.0 – Ein neues Fundament für die AOZ
Veröffentlicht am 03.07.2023 von Patrik R. Brunner, Gemeinderat Kreis 6
In den vergangenen Monaten behandelte die Spezialkommission des Sozialdepartements (SK SD) die Revision des Leistungsauftrags für die Asylorganisation Zürich (AOZ). Die AOZ ist einer der beiden grossen Player im Markt für die Betreuung und Unterbringung von geflüchteten Menschen. Die private ORS ist der zweite Player. Es herrscht also ein Duopol im Markt. Da die AOZ eine selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt der Stadt Zürich ist, hat hier auch die stadtzürcher Politik ein Wort mitzureden – und zu reden gab es viel!
Dass dieses Geschäftsfeld mit dem herausfordernden Dreigestirn Corona-Flüchtlingskrise-Ukraine Krieg in den letzten Jahren kein einfaches war, ist klar. Auch, dass jede Organisation mit diesen Umständen an die Leistungsgrenzen kommt – doch die AOZ mehr, als allen lieb gewesen wäre. Besonders die Situation um die MNA (Mineurs non accompagnés; unbegleitete Minderjährige) im Zentrum Lilienberg war besorgniserregend und unzumutbar. Dies führte dazu, dass der Stadtrat den Leistungsauftrag der AOZ anpassen wollte (2023/103) . Dies war dann auch der Startschuss für eine intensive Beratung der AOZ in der Kommission.
Wie lief diese Beratung ab und wie ist die Haltung der FDP?
Die Kommissionssitzungen dauern normalerweise selten über vier Stunden. Doch für die AOZ gab es gleich vier solcher Marathons. Verschiede Stakeholder und die AOZ wurden angehört. Es wurden Daten eingefordert und debattiert. Man musste sich in die Flüchtlingspolitik der Schweiz, in Konventionen um den Kinderschutz, kantonale Gesetze und bestehende Reglemente einlesen.
Der AOZ-Führung darf man attestieren, dass sie das Thema MNA und die Unterbringung der Flüchtlinge sehr ernst nimmt und diverse Massnahmen zur Verbesserung der Situationen in Angriff genommen hat. Auch der Stadtrat hat in der neuen Leistungsvereinbarung gute und umsetzbare Minimalstandards zur Unterbringung von vulnerablen Personengruppen (MNA; LGBT; Gewaltbetroffene) definiert. Mit diesen Standards kann die AOZ die nötige Qualitätssteigerung erreichen und trotzdem noch konkurrenzfähig sein. Die FDP muss hier den Spagat zwischen der Gewährleistung einer minimalen und fassbaren Qualitätsstufe und dem Vertrauen in die Führung der AOZ machen. Zum einen will man garantieren, dass die AOZ, immerhin ein wichtiger und medial präsenter Teil der Stadt Zürich, den Job gut macht. Zum anderen muss die Leitung der AOZ genug Agilität haben, um im Markt zu bestehen. Denn alle Aufträge ausserhalb der Stadt (Leistungsaufträge Dritter) müssen selbsttragend sein. Der ausgearbeitete Leistungsauftrag schafft diesen Spagat gut. Daher stimmt die FDP dem Bericht dazu zu.
Der Leistungsauftrag hat aber gewisse Lücken und ist in Bezug auf die Schwächsten nicht mutig genug. Man kann diskutieren, welche Ausländer richtige Flüchtlinge sind und welche nicht, welche wir aufnehmen sollen und welche nicht. Aber das ist eine andere Diskussion. Hier sprechen wir über diejenigen, die da sind. Und die MNA sind definitiv da. Aktuell leben im Kanton Zürich über 400 dieser minderjährigen Kinder und Jugendlichen, die ohne Eltern geflüchtet sind. Es sind die Schwächsten der Gesellschaft. Und eine Gesellschaft wird immer daran gemessen, wie sie mit den Schwächsten umgeht. Nur 0.6% der MNA werden weggewiesen, die meisten bleiben also da. Deshalb gilt es, diese Jugendlichen bestmöglich aufzunehmen und zu begleiten. Jeder Rappen, den wir hier investieren, bekommen wir später als Gesellschaft doppelt zurück. Entweder wir überlassen sie sich selbst, dann bilden wir die Grundlage für Banlieues, oder wir nehmen uns ihrer an, dann bilden wir die Fachkräfte von morgen. Als Berufsschullehrer arbeite ich bereits mit MNA in meinen Klassenzimmern, und sehe ein grosses Potential.
Eine breite Allianz von FDP, SP, Grüne, AL hat zwei Postulate ausgebreitet, welche die Situation der MNA merklich verbessern sollte und somit dem Leistungsauftrag des Stadtrats ein Upgrade verpasst. Im Postulat 2023/305 geht es besonders um die dezentrale Unterbringung der MNA und eine Betreuung über das 18. Altersjahr hinaus. So sollen überfüllte Zentren wie das Lilienberg nicht mehr vorkommen und die MNA in kleineren Strukturen mit besserer Betreuung untergebracht werden, so dass Beziehung und Vertrauen aufgebaut werden können. Erfahrungen aus anderen Kantonen und Expertenberichte bestätigen, dass dieses System eine nachhaltige Verbesserung der Situation von MNA herbeiführen kann. Im Postulat 2023/307 verlangen wir eine systematische Erfassung der vulnerablen Klienten der AOZ. In der Kommissionsarbeit überraschte es uns, dass die AOZ nur über wenige Daten dieser speziell geforderten Gruppen verfügt. Bessere Daten ermöglichen bessere und fundiertere Debatten in Geschäftsführung, Median und im Gemeinderat. Fundierte Debatten ermöglichen bessere Rückschlüsse und Beschlüsse und führen zu guten Entscheidungen in der Zukunft. Beide Postulate wurden grossmehrheitlich angenommen und überwiesen. Auch wenn ich persönlich grosse Sympathien für das Postulat 2023/309, weil es die Qualität nochmals steigert, aber es zementiert Vorgaben in allen möglichen Bereichen, inklusive festen Fristen, was ins Mikromanagement ausartet. So übernimmt der Gemeinderat operative Tätigkeiten, welche die AOZ-Führung behindern oder ausbremsen. Man muss der AOZ und deren Personal Vertrauen entgegenbringen, damit unter den gegebenen Rahmenbedingungen die richtigen Schlüsse gezogen werden und sie ihre Arbeit gewissenhaft machen. Die FDP hat dieses Vertrauen in die aktuelle AOZ Leitung. 2023/308 fordert aber Berichte über dieses Mikromanagement, so dass es von der FDP abgelehnt wurde.
Wie geht es weiter?
Mit der Abnahme des neuen Leistungsauftrags muss nun eine neue Verordnung über die AOZ ausgearbeitet werden. Das Postulat 2020/273 soll daher um ein Jahr verlängert werden, damit der Stadtrat die nötige Zeit bekommt, den Leistungsauftrag umzusetzen und die Verordnung damit in Einklang zu bringen. Die FDP stimmte der Fristenerstreckung zu und ist gespannt auf die neue Verordnung. Besonders gespannt sind wir auf die Passagen zur Aufsicht. Hier muss klar aufgezeigt sein, was Verwaltungsrat, Stadtrat und Gemeinderat für Kompetenzen und Zuständigkeiten haben. Die FDP hat hier klare rechtsstaatliche Vorstellungen. Daher haben wir zusammen mit SP, Grünen und AL auch das Begleitpostulat 2023/306 eingereicht, mit dem wir mögliche Zuständigkeiten verordnen. Wie der Stadtrat diesen Input verarbeitet und wie die Verordnung aussehen wird, sind wir gespannt. Die AOZ hat jetzt aber schon die nötige Sicherheit und kennt den abgesteckten Rahmen und die geforderten Standards, um mit diesem neuen Fundament in die Zukunft zu gehen.
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