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Gedanken zur Zukunft der FDP.Die Liberalen

Veröffentlicht am 02.07.2022 von

Werner Streich, Mitglied der FDP Stadt Zürich, Kreis 9

Damit die „FDP.Die Liberalen“ als liberale Volkspartei mehr zukunftsorientierte Frauen und Männer, vor allem auch jüngere, für ihre Politik gewinnen kann, sollte sie sich als innovative und zukunftsfähige liberale Partei statt als nicht mehr zeitgemässe bürgerliche Partei profilieren.

Bürgerlich ist ein mehrdeutiger und veralteter Begriff. Für viele bedeutet bürgerlich rückständig, nationalkonservativ. Früher grenzten sich
die Bürgerlichen mit dem Kampfbegriff „Bürgerliches Lager“ von der Arbeiterschaft ab. Aber heute sind Frauen und Männer aller Lager in sog. bürgerlichen Berufen tätig. Daher sollte die FDP innovativ und zukunftsfähig im Interesse einer zunehmend urbanen Wählerschaft denken, handeln und politisieren.

Für eine solche Wählerschaft sind politische Begriffe bürgerlich, rechts, links, grün Denkblockaden und beim Wählen und Abstimmen verhält sie sich nicht parteipolitisch sondern pragmatisch im Interesse der zukunftsträchtigeren Option. Vor allem grössere Städte und auch ihre Agglomerationen mit ihren Gemeinden orientieren sich zunehmend nach links, grün und auch grünliberal, verursacht durch einen tiefgreifen-
den soziokulturellen und soziostrukturellen Wandel und auch infolge des Klimawandels (CO2).

Die FDP sollte diesen Wandel bei ihrer Politik ernsthaft berücksichtigen und im Interesse einer zukunftsfähigen Schweiz aktiv mitgestalten statt diesen Wandel mit nicht mehr zeitgemässen Aussagen kritisieren.

Was aber der „FDP.Die Liberalen“ besonders in die Quere kommt, ist das Problem, dass neben bürgerlich auch liberal ein mehrdeutiger Begriff ist. Liberal wird oft mit einer weitgehend deregulierten Markt- und Finanzwirtschaft identifiziert, im Gegensatz zu einer sozialen Marktwirtschaft. Die „FDP.Die Liberalen“ sollten daher diesem Staatsverständnis eine klare Absage erteilen und sich für eine freie aber auch soziale und ökologische Marktwirtschaft auf der Grundlage von liberalen Werten einsetzen wie Freiheit, Demokratie, Menschenwürde, Verantwortung für unsere Erde, Eigenverantwortung, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Menschenpflichten, Gleichberechtigung, Gemeinsinn, Solidarität, nachhaltiger Fortschritt, Weltoffenheit, Toleranz. Eine komplett dereguliertes Wirtschafts- und Finanzsystem ist reaktionär, antidemokratisch und gesellschaftsspaltend. Es würde die liberalen Werte, den Liberalismus verraten.

Unsere liberale Demokratie braucht im Interesse ihrer Zukunftsfähigkeit eine gemässigte und kompromissfähige Rechte wie die FDP.Die Liberalen. Ebenso braucht unsere liberale Demokratie auch eine gemässigte und kompromissfähige Linke. Rechts- und Linkspopulisten gefährden dagegen die liberale Demokratie, was weltweit festgestellt werden kann.

Gemässigte und kompromissfähige Regierungsmitglieder und Parlamentsmitglieder von links bis rechts können auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene mit kreativen und konstruktiven Kompromissen am ehesten die Voraussetzungen für politische Stabilität als Grundlage für Wohlfahrt und nachhaltigen Fortschritt schaffen.

Die Schweiz muss als Land mitten in Europa auch gute Beziehungen zur EU und ihren Ländern unterhalten. Um diese Beziehungen und vor allem die bilateralen Verträge im Interesse unseres Forschungs-, Wirtschafts- und Arbeitsplatzes nachhaltig zu gewährleisten, sollte die Schweiz ein institutionelles Abkommen mit der EU abschliessen, welches unsere Rechtssicherheit gegenüber der EU stärkt, was schon beim vom Bundesrat abgebrochenen Rahmenabkommen der Fall war. In der Beziehung zur EU sollte die FDP eine Führungsrolle übernehmen. Vor allem sollten sich jetzt Bundesrat, Parlament und alle Parteien (ohne SVP) von der doktrinären und reaktionären Europapolitik der SVP bezüglich Neutralität und Souveränität und der doktrinären Politik der Gewerkschaften bezüglich Lohnschutz lossagen, wenn wir eine zukunftsfähige Europapolitik betreiben wollen. Der Lohnschutz ist übrigens auch zu einem ernsthaften Anliegen der EU geworden. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hatten in den letzten europapolitischen Abstimmungen immer wieder gezeigt, dass sie dazu bereit sind den bilateralen Weg mit der EU abzusichern, im Interesse der Zukunft unseres Forschungs-, Wirtschafts- und Arbeitsplatzes.

Nach dem Soziologen Andreas Reckwitz, Professor an der Humboldt-Universität Berlin, besteht die spätmoderne Gesellschaft aus vier Klassen: prekäre Klasse (Unterklasse), alte Mittelklasse, neue Mittelklasse, Oberklasse. Die FDP sollte vor allem die neue Mittelklasse ansprechen. Die neue Mittelklasse ist nach Reckwitz die kulturell, ökonomisch und politisch einflussreichste Gruppe der spätmodernen Gesellschaft. Sie ist eine urbane Klasse und vor allem auf grössere Städte und ihre Agglomerationen konzentriert. Die prekäre Klasse bewegt sich häufig in der Nähe des Mindestlohns. Die Oberklasse ist der Ort der „Superreichen“. Die alte Mittelklasse entspricht dem Mittelstand in der industriellen Moderne, welche
durch die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt in der Spätmoderne an Bedeutung verloren hat, was oft auch zum Abstieg von Berufsleuten der alten Mittelklasse in die prekäre Klasse führt. Da die FDP 1848 in der bürgerlichen Moderne gegründet wurde, verhaftet das Denken der FDP teilweise immer noch in dieser bürgerlichen Moderne, trotzdem wir inzwischen nach der bürgerlichen und industriellen Moderne in der Spätmoderne angekommen sind. Der Liberalismus braucht nach Reckwitz im Interesse seiner Zukunftsfähigkeit neue Antworten auf sozioökonomische und soziokulturelle Probleme der Spätmoderne.

Literaturhinweis: Andreas Reckwitz, Das Ende der Illusionen / Politik, Ökonomie und Kultur in der Spätmoderne, edition suhrkamp.

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Kategorie Meinungen

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