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Weshalb Mindestlöhne schädlich sind

Veröffentlicht am 22.02.2023 von

Mélissa Dufournet, Gemeinderätin FDP Kreis 3

(Votum anlässlich der Gemeinderatsdebatte vom 1. Februar 2023)

Bitte keine funktionierende Sozialpartnerschaften torpedieren!

Lassen Sie mich kurz auf die Faktenlage eingehen. Im konkreten Fall reden wir von einem ganz kleinen Anteil der Erwerbstätigen, für die dieser erhebliche Systemwandel eigentlich angestrebt wird. Gemäss den Daten der Lohnstrukturerhebung 2018 verdienen gerade mal rund 4% der Erwerbstätigen in der Stadt Zürich weniger als 23 Franken in der Stunde, was aber noch nicht heisst, dass sie arm sind. Dazu später. Im Gegensatz dazu verdienen 96% der Erwerbstätigen, also rund 370'000 Erwerbstätige, deutlich mehr als der diskutierte Mindestlohn.

Wie ist dieser niedrige Wert von nur 4% zu erklären? Ganz einfach: In vielen Tieflohnbranchen existieren bereits Gesamtarbeitsverträge (GAV’s), von denen viele bereits für allgemeinverbindlich erklärt worden sind. Die langjährigen Verhandlungen unter den Sozialpartnern haben es ermöglicht, jeder einzelnen Wirtschaftsbranche angemessene Lösungen auszuarbeiten.

Wichtig dabei: Es wird nicht nur der Lohn, sondern auch viele andere Aspekte des Arbeitsverhältnisses geregelt. In diesem Kontext möchte ich ganz spezifisch die zusätzlichen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten inkl. Lohnanstieg und die Arbeitszeitmodelle erwähnen. Die GAV’s werden entsprechend als komplexes Gesamtpaket zugunsten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern geschnürt.

Diese Vereinbarungen, die durch aufwändige Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern erzielt wurden, sollen weiterhin Geltung haben. Durch die Einführung eines kommunalen Mindestlohnes, vorangetrieben just durch die auch am Verhandlungstisch sitzenden Gewerkschaften, werden bewährte Sozialpartnerschaften schlichtweg torpediert und das bestens funktionierende, paritätische System gefährdet.

Einseitige kommunale oder kantonale Eingriffe, die einzelne lohnrelevante Bestimmungen der GAV’s aushebeln, untergraben die Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern und die Allgemeinverbindlicherklärungen des Bundesrates. Wenn jede Gemeinde für lohnrelevante Bestimmungen eines GAV’s eigene Regeln erfindet, werden solche Vertragswerke obsolet.

 

Bemühungen, Menschen auszubilden, dürfen nicht geopfert werden

Es ist immanent wichtig, dass junge Personen eine Ausbildung absolvieren, um im Erwerbsleben Fuss zu fassen. Dasselbe gilt für Personen mit einem kargen Bildungsrucksack. Wenn jedoch Personen ohne Ausbildung gleich viel Lohn erhalten, wie Personen mit einer Ausbildung, verliert die Ausbildungsförderung massiv an Bedeutung.

Genau diese Gefahr besteht mit der Einführung eines Mindestlohns. Es ist illusorisch zu glauben, dass ein Unternehmen die Weiterbildungsangebote unabhängig von der Höhe eines Mindestlohnes zur Verfügung stellen wird, denn irgendwann rechnet es sich schlicht und einfach nicht mehr.

Ausserdem muss beachtet werden, dass es aufgrund des Mindestlohnes weniger niederschwellige Einstiegsmöglichkeiten in die Arbeitswelt geben wird. Arbeitgeber haben grosse Aufwände, um Personen ohne Ausbildung und mit wenig Sprachkenntnissen in den Betrieb und die Arbeitnehmerwelt zu integrieren. Man kann sich aber auch einen jungen Studenten vorstellen, der erste Erfahrungen in der Arbeitswelt macht, ohne jegliche praktische Erfahrung. Müssen für einen ungelernten Arbeitnehmer Mindestlöhne bezahlt werden, wird dies dazu führen, dass Unternehmen gerade jungen Arbeitnehmern keine Chance mehr geben, zum Beispiel im Teilzeitpensum erste Erfahrungen in der Arbeitswelt zu machen.

 

Unnötiger, zusätzlicher Aufwand und mehr Bürokratie für Arbeitgeber

Dem Mindestlohn unterstellt sein sollen alle Arbeitnehmer, die ihre Arbeit mehrheitlich in der Stadt Zürich verrichten. Soweit so klar. Zürich ist aber keine abgeschottete Insel.

Wenn aber ein Unternehmen Aufträge in Zürich, Winterthur und Dietikon ausführt muss, muss zuerst herausgefunden werden welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für welche Zeit welchen Lohn erhalten. Weil in Winterthur gilt voraussichtlich nicht derselbe Mindestlohn wie in Zürich. Das System gestaltet sich enorm kompliziert und erhöht die betrieblichen Aufwände bei den Unternehmen.

Kontrollen für die Unternehmen werden immer aufwändiger und hierfür werden sie nicht entschädigt. Die Bussen sind zudem derart harmlos, dass sich ein Unternehmen, welches sich nicht an die Mindestlohnbestimmungen halten will, wenig Anreiz hat, dies künftig zu tun. Hingegen diejenigen, die sich daran halten, die haben noch mehr Aufwand.

 

Mindestlöhne sind ein stumpfes Messer in Sachen Armutsbekämpfung

Es gibt gemäss der Forschung aufgrund der mangelnden Zielgenauigkeit wesentlich bessere Instrumente zur Bekämpfung von Armut als Mindestlöhne. 20 Prozent der Armutsbetroffenen sind zudem selbständig erwerbend und fallen somit von vornherein nicht in den Geltungsbereich eines Mindestlohns. Sodann führen häufig andere Faktoren dazu, dass eine Person armutsbetroffen ist, wie bspw. ein tiefes Arbeitspensum, viele Kinder resp. damit verbunden hohe Betreuungskosten, hohe Kosten für Krankenkassen, Mieten etc.

Nochmals: Wir sprechen hier von rund 4 Prozent der gesamthaft 385 000 Erwerbstätigen in unserer Stadt. Wohlgemerkt, nur weil man weniger als den vorgeschlagenen Mindestlohn verdient, ist man noch nicht arm! Weil darin umfasst sind zum Beispiel auch Studierende aus mittelständischen Haushalten, die noch zuhause wohnen. Diese Quote von 4% müsste also korrekterweise noch nach unten korrigiert werden.

Um die Situation dieser Menschen wirklich nachhaltig zu verbessern, muss zum Beispiel der Fokus noch stärker auf berufsspezifische Aus- und Weiterbildungen liegen, weil nur so können die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in eine höhere Lohnkategorie aufsteigen und ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu führen. Die Stadt kennt dafür jetzt schon ein existierendes Mittel, das spezifisch ausgebaut werden kann: Die Arbeitsmarktstipendien. Hier und in anderen ähnlichen Bereichen könnte mit einem Bruchteil an finanziellen Mitteln und ohne einem gigantischen bürokratischen Aufwand vielmehr erreicht werden, als mit dem ideologischen «Vorschlaghammer» namens Mindestlohn in Zeiten vor kantonaler bzw. nationaler Wahlen.

 

Zusammenfassend halte ich fest, weshalb die FDP-Fraktion sowohl die Initiative wie auch den gemeinderätlichen Gegenvorschlag ablehnt:

  1. keine funktionierende Sozialpartnerschaften torpedieren!
  2. Bemühungen, Menschen auszubilden, dürfen nicht geopfert werden
  3. Unnötiger, zusätzlicher Aufwand und mehr Bürokratie für Arbeitgeber
  4. Mindestlöhne sind ein stumpfes Messer in Sachen Armutsbekämpfung

 

 

Kategorie Wirtschaft

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