Fraktionserklärung der FDP Stadt Zürich zum Klimaschutzziel Netto-Null 2040 in der Gemeindeordnung (GR 2021/177)
Veröffentlicht am 16.12.2021 von Michael Schmid, Fraktionspräsident und Gemeinderat FDP 1+2
Nachhaltigkeit statt «System-Change» – für eine zukunftstaugliche städtische Klimapolitik
Die heutige Gemeinderatsdebatte stellt einen wichtigen Meilenstein für die städtische Energie- und Klimapolitik dar. Die FDP-Fraktion ist erleichtert, dass nun offenbar alle im Gemeinderat vertretenen Parteien von der Forderung nach einem Netto-Null Ziel bis 2030 abgerückt sind. Dies ist umso bemerkenswerter, als eine klare Mehrheit bestehend aus SP, Grünen, GLP, AL und EVP diese Forderung im Frühling 2019 eingebracht und seither wiederholt – teilweise auch im wörtlichen Sinne ultimativ – eingefordert haben.
Allen Unkenrufen zum Trotz hat sich die FDP von Anfang an massgeblich in diese Debatte eingebracht. So haben wir den Stadtrat mit dem Postulat 2019/135 vom 10. April 2019 aufgefordert, die notwendigen Massnahmen und Konsequenzen unterschiedlicher Zielsetzungen umfassend zu bewerten. Die entsprechenden Arbeiten bildeten die Grundlagen für die vom Stadtrat am 20. Mai 2021 präsentierte Vorlage, die wir heute beraten. Auf der Basis dieser wissenschaftlichen Grundlagen hat sich die FDP als erste Stadtzürcher Partei bereits im Februar 2021 für das Ziel Netto-Null bis 2040 ausgesprochen und unterstützt die vorliegende stadträtliche Vorlage.
Wir haben es aber nicht bei der Forderung nach einem generellen Ziel belassen, sondern in der ganzen Zeit auch konkrete Beiträge zur Zielerreichung aufgezeigt und auch mit Vorstössen in diesem Rat unterstützt. So haben wir nur schon im Hinblick auf die beiden grossen gemeinderätlichen Klimadebatten des Jahres 2019 mehr als ein Dutzend entsprechende Vorstösse eingereicht, zu Themen wie
- beschleunigter Ausbau der Photovoltaik in der Stadt Zürich,
- Vereinfachung von Bauvorschriften zu Gunsten der Nutzung erneuerbarer Energien,
- Förderung erneuerbarer synthetischer Gase,
- Förderung der klimaschonenden individuellen Mobilität ebenso wie des öffentlichen Verkehrs.
Die FDP-Fraktion ist überzeugt, dass die Verankerung der Zielsetzung in der Gemeindeordnung, die direkten Treibhausgasemissionen auf dem Stadtgebiet bis zum Jahr 2040 auf netto null zu senken, die Grundlage für eine zukunftstaugliche städtische Energie- und Klimapolitik sein kann. Kritischer zu betrachten sind die Zielsetzungen in Bezug auf die indirekten Treibhausgasemissionen und eines separaten Zieles für bestimmte Sektoren «im Einflussbereich» der Stadt bis 2035. Nicht weil diese spezifischen Ziele im Ansatz falsch wären, sondern wegen Unsicherheiten bezüglich Messbarkeit und Umsetzbarkeit. Dennoch kann sich die FDP diesen Zielsetzungen anschliessen.
Die Stadt Zürich verfügt im globalen und auch im nationalen Vergleich über eine sehr gute Ausgangslage, zu der auch freisinnige Politik entscheidend beigetragen hat. Beispielhaft erwähnt seien hier nur
- der Strommix des ewz mit dem massiven Ausbau von neuen erneuerbaren Produktionskapazitäten,
- die wirtschaftliche Sanierung und der umfassende Ausbau der Fernwärme,
- eine im Bereich der erneuerbaren Gase pionierhafte Gasversorgung,
- ein fast vollständig elektrifizierter öffentlicher Verkehr mit einem rekordverdächtigen Anteil am Modalsplit.
Zudem sind Forschung und Innovation, Finanz- und Versicherungswirtschaft, Industrie und Gewerbe in der Stadt und im Grossraum Zürich global führend auf dem Weg zu Netto-Null, was auch in Zukunft entscheidende Impulse geben kann.
Für die FDP ist klar: Netto-Null wird kommen. Aber der Weg zu Netto-Null führt nicht über Planwirtschaft und nicht primär über Verbote und Zwang, sondern über Preissignale, Markt, Wettbewerb und Innovation. Wie in allen Politikfeldern gilt es auch hier, nachhaltige Politik – in ihren drei Dimensionen, ökologisch, ökonomisch und sozial – zu betreiben.
Der fundamentale Fehler der Klimapolitik von SP, Grünen, GLP, AL und EVP besteht darin, dass diese Parteien der wirtschaftlichen und sozialen Dimension der Nachhaltigkeit zu wenig Rechnung tragen.
Sie sind nun zwar von der in jeder Beziehung ruinösen Forderung nach einem «System Change» und Netto-Null bis 2030 abgerückt. Aber beim Weg zum Ziel bleiben sie mit der Vorgabe eines «mindestens linearen Absenktempos» bei einem zu planwirtschaftlichen und vollkommen realitätsfremden Ansatz. Sie missachten wirtschaftliche und finanzpolitische Gegebenheiten ebenso wie Investitionszyklen, Zeitbedarf für Markthochlauf und Marktdurchdringung neuer Technologien oder Projektdauern.
Die vorgesehenen Automatismen in Bezug auf zu treffende Massnahmen sind zudem demokratiefeindlich und rechtsstaatlich problematisch bzw. werden sich zufolge übergeordneten Rechts nicht vollziehen lassen. Die FDP lehnt deshalb den von der Kommissionsmehrheit neu vorgeschlagenen Art. 152a GO ab, hat aber einen eigenen Antrag zur stadträtlichen Umsetzung und Berichterstattung formuliert.
Für den leider wahrscheinlichen Fall, dass sich die Kommissionsmehrheit in der gemeinderätlichen Beratung durchsetzt, sehen wir den Stadtrat in der Pflicht, seine Vorlage als selbständigen Antrag der Volksabstimmung zu unterbreiten. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben dann die Möglichkeit, einem ehrgeizigen Klimaziel zuzustimmen, welches auf ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Weise verfolgt werden kann. Der Gemeinderat könnte von sich aus das Ziel sowie den Weg zum Ziel in zwei separaten Vorlagen zur Abstimmung vorlegen. Unabhängig davon steht die FDP-Fraktion zum Netto-Null-Ziel 2040.
Die Fraktionserklärung können Sie hier im Original nachlesen.