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Alter Wein in neuen Schläuchen: Die Überbrückungshilfe für Ausländerinnen und Ausländer ist rechtswidrig

Veröffentlicht am 05.04.2023 von

Mélissa Dufournet, Gemeinderätin Kreis 3

(Votum anlässlich der Gemeinderatssitzung vom 5. April 2023 zum Geschäft 2022/144, Überbrückungshilfe für Ausländerinnen und Ausländer ohne gültigen Aufenthaltstitel)

Für dieses Geschäft lohnt es sich, etwas auszuholen. Die Geschichte der sogenannten „Wirtschaftlichen Basishilfe“ hat vor ziemlich genau zwei Jahren begonnen. Ausschlaggebend war eine vom Sozialdepartement der Stadt Zürich bei der ZHAW in Auftrag gegebene Analyse, welche die langen Schlangen vor den Essensabgaben der privaten Hilfsorganisationen untersuchte.

Begründet wurde die WBH damit, dass betroffene Ausländerinnen und Ausländer nicht auf Unterstützungsleistungen der Sozialhilfe zurückgreifen können oder wollen. Entweder, weil sie in der Stadt Zürich erst gar keinen Anspruch auf Leistungen haben oder, weil sie als Migrantinnen und Migranten mit B- oder C-Ausweis beim Bezug von Sozialleistungen Gefahr laufen, ihren Aufenthaltsstatus zu verlieren.

Und genau darum geht es. Das übergeordnete Recht passt dem Stadtrat und einer Mehrheit in diesem Rat nicht, also versucht man auf kommunaler Ebene einen Ausgleich zu schaffen.

Bereits vor zwei Jahren monierte eine Minderheit im Gemeinderat, die vom Stadtrat in Eigenregie und am Gemeinderat vorbei orchestrierte WBH. Das Projekt wurde bekanntlich Aufgrund einer Aufsichtsbeschwerde vom Bezirksrat mit Beschluss vom 9. Dezember 2021 gestoppt. Der Bezirksrat hielt fest, dass der Stadtrats-Beschluss gegen eine Reihe kantonaler und eidgenössischer Vorschriften verstösst. Aber davon wollte sich weder der Stadtrat noch die Initianten der Parlamentarischen Initiative beirren lassen. Gemeinsam wurden also zwei Vorstösse erarbeitet und wenige Anpassungen im Vergleich zum Pilotprojekt vorgenommen, in der Hoffnung, damit den rechtlichen Argumenten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Tatsächlich handelt es sich aber im Kern um alten Wein in neuen Schläuchen.

Faktisch verstossen auch diese beiden Parlamentarischen Initiativen gegen übergeordnetes Recht. Wenden wir uns also zunächst der Überbrückungshilfe für Ausländerinnen und Ausländer ohne gültigen Aufenthaltstitel zu.

Asylsuchende, die einen Nichteintretensentscheid und eine rechtskräftige Wegweisungsverfügung erhalten haben, gelten als ausländische Personen mit rechtswidrigem Aufenthalt in der Schweiz. Aus diesem Grund sind sie vom Sozialhilfegesetzsystem ausgeschlossen und haben bis zu ihrer Ausreise nur Anspruch auf Nothilfe, die vom Wohnkanton gewährt wird. Ebenfalls leben zahlreiche Ausländerinnen und Ausländer, die nie ein Asylverfahren durchlaufen haben, aber auch über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügen, illegal in der Schweiz.

Es ist basierend auf kantonalem Recht gewollt, dass sich der Leistungsumfang an Personen ohne gültigen Aufenthaltstitel auf die Nothilfe beschränkt. Der Parlamentarischen Initiative ist zu entnehmen, dass sich die Höhe der finanziellen Unterstützung an den Ansätzen der Asylfürsorge orientieren soll, genauso wie es das erste Projekt der WBH des Stadtrates getan hat. Dadurch wird eine über die Nothilfe hinausgehende wirtschaftliche Hilfe bezweckt, was in einer Vereitelung von höherrangigem Recht resultiert, was auch der Bezirksrat ebenso festgehalten hat.

Die Initianten stützen sich auf Art. 12 BV und meinen, damit sei alles gesagt.

Mittels Verabsolutierung von Art. 12 BV soll alles übrige Bundesrecht ausser Kraft gesetzt werden. Eine Normkollision fällt aber nicht notwendigerweise zu ihren Gunsten aus. Und es ist auch nicht so, dass keine Nothilfe-Angebote zur Verfügung stehen würden. Sie werden freiwillig nicht genutzt, um einen eigenen Rechtsverstoss nicht offenzulegen.

Gemäss dem Initiativtext ist die Unterstützung auf sechs Monate beschränkt und soll nur denjenigen zugutekommen, die seit mindestens 5 Jahren in der Schweiz und seit mindestens zwei Jahren in der Stadt Zürich leben. Dem Stadtrat wird jedoch die Kompetenz erteilt, weitere Voraussetzungen und Richtlinien für den Bezug von Überbrückungshilfe festzulegen. Erreicht werden soll damit nichts anderes, als das, was der Stadtrat bereites im Pilotprojekt wollte: Nämlich den Bezug „in besonderen Situationen“ auf über 6 Monate ausweiten und – zumindest in Einzelfällen - Personen berücksichtigen, die nicht in der Stadt Zürich wohnhaft sind. Nicht festgelegt im Initiativtext wird nämlich bewusst, wie häufig man die WBH à maximal 6 Monaten beziehen kann.

Um sich nicht angreifbar zu machen schanzen die Initianten dem Stadtrat einfach weitreichende Kompetenzen zu. Wie praktisch, dass alle unter einer Decke stecken.

Wenn wir es schon davon haben:

Es wurde bereits moniert, dass die Parlamentarische Initiative Gr. 2022/144 keinen gültig ausgearbeiteten Entwurf darstellt. Der ausformulierte Text müsste 1:1 ins kommunale Recht übertragen werden können.

Gerade in Bezug auf die Ziffer 5 der Parlamentarischen Initiative, in welchem dem Stadtrat die weitreichende Kompetenz erteilt wird, weitere Voraussetzungen für den Bezug von staatlichen Leistungen festzulegen, ist das Formerfordernis der genügenden Bestimmtheit, des "ausgearbeiteten Entwurfs" nicht gegeben.

Es geht entgegen den Ausführungen der Rechtskonsulentin auch nicht darum, dass die Ausführung nachträglich konkretisiert werden muss oder dem Stadtrat bei den Umsetzungshandlungen ein Ermessenspielraum zusteht. Es geht darum, dass dem Stadtrat die Kompetenz erteilt wird, selbst noch weitere Voraussetzungen für den Bezug der WBH zu definieren. Dadurch ist eine Übertragung ins kommunale Recht 1:1 nicht möglich.

Die oberflächliche Einschätzung der Rechtskonsulentin, die sich nicht einmal konkret mit dem eingereichten Text der PI auseinandersetzt und keinerlei Subsumtion enthält, sondern sich damit begnügt, generell gehaltene Textstellen zu zitieren, kann höchstens als Dienst an der Ratsmehrheit resp. dem Stadtrat verstanden werden.

Und warum man nicht einfach die Resultate der Städte Bern und Luzern abwarten kann, ist ebenfalls klar: Das Resultat der Pilotprojekte steht schon heute fest. In Luzern wird übrigens kein Steuergeld verteilt, sondern das einer privaten Stiftung.

Ich komme zum Schluss: Der Bezirksrat hat einen mit der Initiative grösstenteils deckungsgleichen Beschluss des Stadtrats für rechtswidrig erklärt. Aus Sicht der Minderheit versucht die vorliegende Parlamentarische Initiative nunmehr geltendes Bundesrecht mit einer vermeintlich demokratischen Legitimation auf Gemeindestufe auszuhebeln. Auch wenn Sie es nicht gerne hören: Es steht nicht einmal dem Gemeinderat der Stadt Zürich zu, etwas zu beschliessen, was gegen kantonales Recht oder gegen das Bundesrecht verstösst.

Kategorie Sozialpolitik

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